Grundbildungszentren Sachsen-Anhalt
Was ist Grundbildung?
Mehr als Lesen und Schreiben: Der Begriff der Grundbildung beschreibt alle Fähigkeiten, die Menschen brauchen, um erfolgreich den Alltag zu meistern und an der Gesellschaft teilnehmen zu können.
Damit das gut funktioniert, muss man Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen. Zur Grundbildung gehören aber auch soziale Kompetenzen, Grundfähigkeiten im IT-Bereich, eine finanzielle Grundbildung und ein grundlegendes Verständnis von Gesundheit.
Gering literalisierte Erwachsene in Deutschland
Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten verfügen nur über sehr begrenzte schriftsprachliche Kompetenzen. Einzelne Sätze können sie zwar lesen oder schreiben. Sie sind jedoch nicht in der Lage, zusammenhängende Texte zu erfassen, wie etwa eine schriftliche Arbeitsanweisung, Kontoauszüge oder den Handyvertrag.
Schriftsprachliche Situationen im Alltag und im Beruf sind für betroffene Personen eine Herausforderung. Oft versuchen sie, diese durch kreative Strategien zu vermeiden oder mit Unterstützung von Vertrauenspersonen zu umgehen. Ihre gesellschaftliche Teilhabe ist stark eingeschränkt.
Vielfältige Ursachen für geringe Literalität
Schlechte Erfahrung in der Schule
Geringes Zutrauen
in die eigenen Fähigkeiten
Probleme im Schriftsprach-erwerb
Schwierige Umstände im Elternhaus
Migrations-hintergrund
Fehlende Praxis als Erwachsene
Vermeidung von Situationen mit Lese- und Schreibanforderungen
Diskriminierung im Erwachsenenalter
Wissenschaftliche Studien
Die Bedeutung von Lesen und Schreiben für den Alltag in einer sich schnell verändernden Welt (2021)
71 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahre finden es wichtig und notwendig, dass man gut lesen kann.
Anlässlich der Halbzeit der AlphaDekade (2016-2026) haben Stiftung Lesen und die AlphaDekade im Winter 2020 eine bevölkerungsrepräsentative Studie zur Bedeutung von Lesen im Alltag von Erwachsenen beauftragt. Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte insgesamt 1022 Personen ab 16 Jahre. Die Interviews wurden mündlich-persönlich von 320 geschulten Interviewerinnen und Interviewern durchgeführt. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, welche Bedeutung Lesen und Schreiben für die Bevölkerung in einer sich schnell verändernden Welt im Alltag haben.
Mithilfe von Trendanalysen sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Bedeutung von Lesen und Schreiben in den letzten Jahren verändert hat und ob die Bevölkerung selbst einen Bedeutungswandel festgestellt hat. Zudem galt es den besonderen Einfluss der aktuellen Corona-Pandemie zu untersuchen: Inwieweit verändert die Corona-Pandemie die Schreib- und Leseanlässe, inwieweit das Informationsverhalten?
Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.
Jeder 8. Erwachsene hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.
Die zweite Studie LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität erfasst die Lese- und Schreibkompetenzen der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung (18-64 Jahre) und berichtet dies für die Alpha-Levels im Lesen und Schreiben. Die Studie schreibt die Ergebnisse der LEO – LevelOne Studie aus dem Jahr 2010 fort (Grotlüschen & Riekmann 2012). Laut der Studie gelten 6,2 Millionen Erwachsene als gering literalisiert.
Hier einige der wichtigsten Ergebnisse:
- Von den Deutsch sprechenden Erwachsenen lesen und schreiben im Jahr 2018 noch 12,1 Prozent auf einem niedrigen Kompetenzniveau.
- Rund 6,2 Millionen Erwachsene verbleiben im Bereich geringer Literalität. Das bedeutet, die Lese- und Schreibkompetenz der Erwachsenen entspricht den Alpha-Levels 1-3.
- Mit 58,4 Prozent sind mehr Männer unter den gering literalisierten als Frauen.
- Den größten Teil der gering literalisierten Erwachsenen machen Erwachsene über 45 Jahre aus.
Das mitwissende Umfeld von Erwachsenen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen – Ergebnisse aus der
Umfeldstudie
Wibke Riekmann, Klaus Buddeberg, Anke Grotlüschen (Hrsg.)
Die Umfeldstudie – Studie zum mitwissenden Umfeld funktionaler Analphabetinnen und Analphabeten – markiert einen Perspektivwechsel in der Literalitätsforschung. Sie knüpft an die Erkenntnis an, dass Erwachsene mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben häufig auf Unterstützungspersonen in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld zurückgreifen. Das Umfeld hilft dabei, mit Lese- und Schreibanforderungen im Alltag zurechtzukommen. Hier wird insbesondere das „mitwissende Umfeld“ betrachtet, also diejenigen Personen, die in die Lese- und Schreibproblematik eingeweiht sind.
Umfeldstudie – Das mitwissende Umfeld von Erwachsenen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen I Download (PDF)
Die Größenordnung des Funktionalen Analphabetismus in Deutschland ist mit 7,5 Millionen Menschen (14,5 % der erwachsenen Bevölkerung) deutlich höher als der bisherige Schätzwert von etwa vier Millionen.
Diese Erwachsenen lesen so schlecht, dass sie im Alltag gelegentlich oder grundsätzlich auf Unterstützung angewiesen sind. Darüber befinden sich weitere 13,3 Millionen Erwachsene, deren Schriftsprache auch bei gebräuchlichem Wortschatz fehlerhaft ist (Alpha-Level 4 und höher). Die Erkenntnisse aus der LEO-Studie bilden die Grundlage für viele weitere Studien und Projekte im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung.
Die Gruppe der 16- bis 35-Jährigen weist beim Lesen, in der Alltagsmathematik und beim computerbasierten Problemlösen höhere Kompetenzen auf als die Gruppe der 55- bis 65-Jährigen.
PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die zum Ziel hat, Kompetenzen Erwachsener im internationalen Vergleich zu untersuchen. Mit dem nationalen Projektmanagement von PIAAC in Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften für die Laufzeit von 2018 bis 2023 beauftragt. Zudem ist GESIS Teil des internationalen Konsortiums von PIAAC und hier für die Validierung und Übersetzung des Hintergrundfragebogens verantwortlich.
Weiterführende Informationen:
Ursachen & Hintergründe
Das viele Erwachsene nicht ausreichend lesen und schreiben können, hat unterschiedliche Ursachen:
- Sie wurden in der Schule und im Elternhaus nicht ausreichend gefördert.
- Sie haben gesundheitliche Einschränkungen oder waren länger krank.
- Sie sind in schwierigen Verhältnissen ausgewachsen.
Wer das Lesen und Schreiben in den ersten Schuljahren nicht ausreichend gelernt hat, kann es im weiteren Schulverlauf kaum nachholen. Weiterführende Schulen bieten hier keine Angebote.
Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten versuchen, Situationen, in denen sie lesen und schreiben müssen, zu vermeiden oder anders zu lösen. Häufig übersehen sie schriftliche Informationen wie Termine, Behördenbriefe, Rechnungen oder Sicherheitshinweise im Job.
Auch am Schriftbild und an der Art und Weise, wie jemand schreibt, kann man erkennen, dass er wenig Übung hat. Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten schreiben, wie sie Wörter hören.
So können Sie helfen!
Ansprechen
Sprechen Sie Ihren Mitmenschen in einer vertraulichen Situation auf das Thema an und schenken Sie ihm Zeit und Aufmerksamkeit. Oft sind Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, erleichtert, wenn sie auf ihr Problem angesprochen werden und sie es nicht mehr verbergen müssen.
Vermitteln
Weisen Sie auf konkrete Lernmöglichkeiten hin, die von Volkshochschulen und anderen Bildungseinrichtungen angeboten werden. Auch im Internet gibt es Angebote zum Lesen- und Schreibenlernen, z. B. das vhs-lernportal.de
Anrufen
Rufen Sie das ALFA-Telefon an. Am ALFA-Telefon informieren Expert*innen anonym und kostenlos über passende Lernangebote sowie Selbsthilfe-gruppen in der Region und vermitteln Ansprechpartner*innen vor Ort.
Alpha-Level 1
Personen fällt es schwer, auch einzelne Buchstaben zu erkennen.
Alpha-Level 2
Personen können einzelne Wörter lesend verstehen, müssen sie aber Buchstabe für Buchstabe umsetzen.
Alpha-Level 3
Personen können einzelne Sätze lesen oder schreiben, aber keine zusammenhängenden Texte.
Alpha-Level 4
Personen auf diesem Alpha-Level erreichen im Lesen und Schreiben zwar die Textebene, schreiben und lesen auf Satz- und Textebene aber auch bei gebräuchlichen Wörtern weiterhin langsam und/oder fehlerhaft.
Die Rechtschreibung, wie sie bis zum Ende der Grundschule unterrichtet wird, wird nicht hinreichend beherrscht.
Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung
Mit der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (AlphaDekade) setzen sich Bund, Länder und Partner verstärkt dafür ein, die Grundbildung in Deutschland zu verbessern.
Rund 6,2 Millionen Menschen in Deutschland können zwar Buchstaben, Wörter und einzelne Sätze lesen und schreiben, haben jedoch Mühe, einen längeren zusammenhängenden Text zu verstehen. 62 Prozent der Betroffenen sind erwerbstätig, die Mehrheit sind Männer. Muttersprachler überwiegen mit einem Anteil von 53 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die „LEO-Studie 2018“ der Universität Hamburg, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegeben hat.
Alphabetisierung und Grundbildung: Voraussetzung für Teilhabe und selbstbestimmtes Leben
Angesichts der voranschreitenden Entwicklungen in allen Lebensbereichen sind und bleiben Alphabetisierung und Grundbildung elementare Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und von Teilhabe geprägtes Leben.
Ein immer schneller werdender Informationsfluss sowie kontinuierliche technische und strukturelle Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft stellen Menschen, die nur über gering ausgeprägte Schriftsprachkompetenzen verfügen, vor große Herausforderungen. Gleiches gilt auch für andere Grundkompetenzen, wie z. B. dem Umgang mit Zahlen oder digitaler Technik.
Ziel der Dekade: Funktionalen Analphabetismus verringern – Grundbildungsniveau erhöhen
Mit der AlphaDekade wollen Bund, Länder und Partner im Zeitraum von 2016 bis 2026 die Lese- und Schreibfähigkeiten Erwachsener in Deutschland deutlich verbessern. Zentraler Erfolgsfaktor: mehr Grundbildungsangebote und mehr Menschen, die diese Angebote wahrnehmen. Die Frage, wie Erwachsene mit niedrigen Schriftsprachkompetenzen erreicht und zum Lernen aktiviert werden können, ist die zentrale Herausforderung aller Maßnahmen. In einem jährlich fortzuschreibenden Arbeitsprogramm hat das Kuratorium der AlphaDekade anhand von fünf Handlungsfeldern festgelegt, wie diese Ziele erreicht werden sollten:
Öffentlichkeitsarbeit – intensivieren, informieren, Nachfrage generieren
Das Ausmaß der geringen Literalität ist den meisten Menschen in Deutschland nicht bekannt. Betroffene und ihr soziales Umfeld wissen meist nur wenig über Hilfsangebote und Lernmöglichkeiten.
Durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wollen die Partner*innen der Dekade dazu beitragen, dass die Bevölkerung über die hohe Anzahl gering literalisierter Erwachsener informiert ist und die Notwenigkeit von Alphabetisierung und Grundbildung erkennt. Vorurteile sollen abgebaut, Tabus aufgebrochen und das Lerninteresse von Betroffenen gestärkt werden. Verstärkte Werbemaßnahmen sollen dazu beitragen, dass Lern- und Unterstützungsangebote bekannter werden.
Forschung – ausbauen, verdichten, Wissen herstellen
Um wirkungsvoller gegen geringe Literalität in Deutschland vorzugehen, müssen Ursachen besser erforscht werden. Mithilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse sollen auch Lernangebote passgenauer zugeschnitten werden, damit Betroffene sie häufiger wahrnehmen.
Lernangebote – optimieren, erweitern, in die Fläche tragen
Um die Lernmotivation von gering literalisierten Erwachsenen zu erhöhen, müssen sich die Lernangebote an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Lernenden zu orientieren.
Lerninhalte müssen alltags-und praxisbezogen (z. B. Arbeits- und Lebenswelt, Finanzen, Freizeit, Beziehungen, Gesundheit) gestaltet sein und die große Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden berücksichtigen.
Professionalisierung – ausbilden, weiterbilden, Qualität des Unterrichts verbessern
Erwachsene mit Alphabetisierungs- und Grundbildungsbedarf haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Steht für den einen die Bewältigung des Alltags im Vordergrund, benötigt der andere Unterstützung bei schriftsprachlichen Anforderungen im Job.
Die individuellen Bedarfe sind eine große Herausforderung für das Lehrpersonal. Daher muss dies sowohl fachlich als auch didaktisch-methodisch gut ausgebildet sein. Hier gibt es einen hohen Qualifizierungsbedarf bei Kursleitenden in der Grundbildung ebenso wie bei Lehrkräften an Schulen sowie in der Jugend- und Erwachsenenbildung.
Strukturen – weiterentwickeln, aufbauen, Unterstützungsangebote optimieren
Seit 2012 sorgen Bund, Länder und Dekadepartner*innen dafür, dass Angebote für Alphabetisierung und Grundbildung fester Bestandteil im Weiterbildungssystem sind.
In Zukunft sollen sie auch mit bereits vorhandenen Weiterbildungsangeboten, zum Beispiel im beruflichen Kontext, verknüpft werden. Mitarbeitende in öffentlichen Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen, sollen darüber hinaus sensibilisiert werden, Menschen mit Alphabetisierungsbedarf zu erkennen und zur Wahrnehmung von Angeboten zu motivieren.